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Aikido am Projekttag der Montessori Schule Mühlheim – 2015 für Mädchen

Kampfkünste sind nach wie vor ein Bereich, in dem Jungen und Männer überwiegen. Das finde ich immer sehr schade, denn es gibt viele Mädchen und Frauen, denen es Spaß macht zu kämpfen – und es gibt noch mehr, denen eine Prise Kampfgeist gut tun würde im täglichen Leben. Aikido eignet sich dabei ganz besonders gut für uns, denn hier arbeiten wir nicht mit Muskelkraft, es gibt keine Wettbewerbe, keine Gewichtsklassen, keine harten Blöcke.
Vielmehr ist es im Aikido sehr hilfreich, ein gutes Gespür zu haben und sich nicht zu sehr auf seine Muskeln zu verlassen, vielmehr elastisch und reaktionsfreudig zu sein, einzugehen auf das, was auf mich zukommt – alles Qualitäten, bei denen Mädchen und Frauen in der Regel im Vorteil sind.
Da sich aber viele Mädchen von den Jungs abschrecken lassen, die zu viel Ninjago Kids oder ähnliches geguckt haben und wie irre durch die Gegend treten (oft ohne zu wissen, was sie da eigentlich tun), wollte ich mich mit Aikido schon immer seit längerem ausschließlich an Mädchen richten – da bot dieser Projekttag eine willkommene Gelegenheit.
Eine kleine und feine Truppe traf da vergangenen Freitag in unserem Dojo in Offenbach zusammen, vier Mädchen aus der blauen Lerngruppe und zwei aus den grünen Lerngruppen. Wir haben praktisch den ganzen Vormittag, von 8.45 bis 12.45 Uhr, durchgehend trainiert, von einer kleinen Frühstückspause gegen 10 Uhr abgesehen. Die Begeisterung der Mädchen, ihre Bewegungsfreude, Neugier, Aufmerksamkeit und vor allem ihre Bereitschaft, sich auf das anspruchsvolle und bisweilen herausfordernde Training einzulassen, waren klasse und sehr inspirierend für mich. Und so konnten sie an diesem Vormittag vielfältige Aspekte des Aikidotrainings kennen lernen:
Nach einer kurzen Einführung in die Dojoetikette haben wir uns mit dem Boden angefreundet, in dem wir Grundlagen-ukemi geübt haben: Weich über die Seite zu Boden gleiten, auf dem Rücken die Seite wechseln und wieder aufstehen – zunächst im Sitzen, dann aus dem Stehen. Diese Übung gibt uns das Vertrauen, dass wir zu Boden gehen zu können, ohne uns weh zu tun. Damit können wir weicher und entspannter sein, als wir es beim Fallen von Natur aus erst mal sind.
Im Knickspiel haben wir diese Erfahrung gleich umgesetzt und dabei gelernt, an welchen Körperstellen wir wie einwirken können, so dass der Partner unweigerlich zu Boden gehen muss – ohne Kraft oder gar Gewalt anzuwenden: Nämlich indem wir die Gelenke in ihrer spezifischen Beweglichkeit nutzen.
Im Nachhinein habe ich gemerkt, dass das Knickspiel das einzige richtige Spiel an diesem Vormittag war. Die Mädchen sind so ernsthaft ins Aikido eingetaucht, dass sie offenbar damit zufrieden waren, Aikido zu trainieren smile.
Eine wichtige Voraussetzung auf körperlicher Ebene für den friedfertigen Geist des Aikidoka ist die Haltung: Ich richte meine Achse, also Kopf und Wirbelsäule, vom Scheitelpunkt bis zum Steißbein in einer Linie zwischen Himmel und Erde aus. Um dies zu üben, schließt die eine ihre Augen, die andere berührt sie mit dem Finger und fordert sie dadurch auf, sich in diese Richtung zu bewegen. Neben der Wahrung der Haltung trainiert diese Übung das Gefühl für einen sicheren Abstand sowie das Kontaktgefühl: Sobald der Schub endet, bleibe ich stehen.
Diese Haltung schützt uns bei einem Angriff, zum Beispiel bei einem Schwertstich Richtung Bauch: Wenn es uns gelingt, mit ausgerichteter Achse am Schwert entlang in den Rückenbereich des Angreifers zu gelangen, sind wir in Sicherheit und können uns damit beschäftigen, den Angriff zu neutralisieren. Dies haben wir als Einstieg in die Arbeit mit dem Schwert genutzt.
Aikido ist eine waffenlose Kampfkunst, die von dem Japaner Morihei Ueshiba (1886-1969) unter anderem aus dem Jiu-Jitsu, dem Schwert- und dem Stockkampf entwickelt hat. Viele Techniken lassen sich vor diesem Hintergrund besser verstehen.
Um gleichzeitig etwas frische Luft zu genießen, sind wir mit den Schwertern in den Lilipark gegangen, um grundlegende Schnitte sowie das Ausweichen mit Verteidigung gegen einen solchen Schwertschnitt zu üben. Diese Arbeit schärft vor allem das Verständnis für die Notwendigkeit, genau zu sein in Wahrnehmung und Bewegungen: Das Schwert lässt mir keinen Spielraum und verzeiht keine Unaufmerksamkeit …

Leider fing es nach einer halben Stunde wieder an zu regnen, so dass wir ins Dojo zurückkehrten.
Dort angelangt, setzen wir diese Erfahrung im freien Schwertkampf um – übrigens mit schaumstoffummantelten Übungsschwertern smile. Hier machen die Kinder eine wichtige Erfahrung: Rausgehen, angreifen, birgt das Risiko, selbst getroffen zu werden – doch gleichzeitig entsteht nichts Neues, wenn ich rumstehe und mich nicht engagiere.
In der letzten Trainingseinheit ging es darum, in zwei Aikidotechniken die bislang geübten Fähigkeiten einzusetzen: Wachsam sein, wenn der Angriff kommt, ausweichen und gleichzeitig den Angriffe weich aufnehmen, um aus der neuen Position einen Vorteil zu ziehen, nämlich die Angriffsenergie so umlenken zu können, dass möglichst keiner der beiden Beteiligten zu Schaden kommt. Hier hilft natürlich, dass wir am Anfang des Trainings das Fallen geübt haben. Beide Partner wechseln regelmäßig die Rollen, so dass jede von beiden Rollen profitieren kann: Wie im Leben, sind wir aufgefordert, mal zu agieren und mal zu reagieren. Wenn es uns dabei immer besser gelingt, bei uns zu bleiben, unsere Achse zu halten, zu atmen und wahrzunehmen, was um uns herum ist, in Kontakt mit den Menschen um uns herum zu treten und in diesem Kontakt während der ganzen Bewegung zu bleiben, ohne uns selbst oder die anderen klein zu machen oder aneinander rum zu manipulieren, dann haben wir im Rahmen unserer bescheidenen Möglichkeiten ein klein wenig zu einer friedlicheren Welt beigetragen.
Ich bedanke mich nochmal ganz herzlich bei Euch sechs Mädchen, es war mir eine große Freude den Vormittag mit Euch zu trainieren – domo arigato gozai mashita (=vielen Dank)!
Annette Röllig

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