Mit dem Schwert nach Calais – Reisebericht Teil 2
Der erste Tag
Das ist der zweite Teil meines Reiseberichts zum Schwertkampf-Seminar in Calais. Heute: Das erste Training. Die anderen Teile findest Du hier: Teil 1, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7.
Lehrgangsort
Nach der langen Anreise gestern habe ich jetzt die erste Nacht hinter mir. Gestern war die Yokoso Party (WIllkommensparty) um uns alle auf die Woche einzustimmen. DIe Teilnehmer des Lehrgangs kommen aus ganz Europa. Insgesamt 117 Teilnehmr aus 11 Ländern haben sich hier eingefunden – von Anfängern bis hin zu sehr erfahrenenen Budoka. Wir sind hier in der Tom Souville-Yacht Basis in 1-6 Bett Zimmern untergebracht. Die Zimmer sind sehr einfach und in Teilen auch schon etwas in die Jahre gekommen – aber wir sind ja auch nicht im Urlaub. Dafür liegt der Lehrgangsort wirklich traumhaft. Direkt an den Dünen gelegen, mit der Straße von Dover direkt dahinter kommen sofort Seegefühle auf. Die Luft ist salzig und die Brise ist steif.
Die erste Nacht habe ich inzwischen hinter mir und auch einigermaßen gut überstanden. Bei insgesamt 6 Zimmergenossen ist auch immer das eine oder andere Schnarchen dabei – manchmal auch etwas mehr. Ich bin froh, dass ich nicht größer bin, denn die Betten passen gerade so – scheinbar sind Seeleute tendenziell klein.
Die Eröffnungszeremonie
Im traditionellen Ken Jutsu, also dem Schwertkampf, spielt der sprirtuelle Aspekt eine große Rolle. Die Geschichte der alten japanischen Schwertschulen ist durchsetzt mit Mythen und Shintobezügen. Daher wird jedes ISBA Seminar durch eine offizielle Zeremonie vorbereitet und eröffnet. Ein extra mitgereister Shintopriester leitet diese Zeremonie. Deren Zweck ist es, spirituelle Verunreinigungen, die jeder Teilnehmer unwillentlich ansammelt und mitbringt, zu beseitigen und so möglichst günstige Trainingsbedingungen zu schaffen. Auch das Dojo (lit. Ort des Weges, also der Ort wo man trainiert) wird zeremoniell gereinigt und die Kami werden gebeten uns beim Training zu unterstützen. Im Shinto sind Kami Geister, die die gesamte Welt bevölkern. DIe Natur ist belebt, ein Baum, ein Stein oder ein Haus können von einem Kami bewohnt sein – oder auch das IPhone (kein Witz!). Auch die Geister der Ahnen zählen dazu. Und diese Spirits können uns auf unseren spirituellen Reise unterstützen, falls sie gewogen sind.
Nur die wenigsten von uns sind Shintoisten, und auch wenn man nicht daran glaubt, haben solche Zeremonien doch immer eine eigene Stärke. Sie sind gemeinschaftsstiftend und sie erlauben einem auch sprituell anzukommen. Man kann davon halten was man will, aber ich empfinde mich nach der Zeremonie als fokussierter auf die kommende Woche. Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum wir uns zu Beginn und zum Ende des Trainings verbeugen und klatschen. Das ist einfach etwas Anderes ein Training gemeinsam so zu beginnen oder einfach tröpfchenweise auf die Matte zu kommen und los zu legen.
Das erste Training
So jetzt geht’s los. Allerdings erst mit einer Stunde „Vorlesung“. Araya Kancho, der gegenwärtige Leiter des Shiseikan Dojos, erklärt die Ursprünge der traditionellen Schwertschulen in Japan. Dazu zählen beispielsweise Kashima Shin Ryu und Katori Shin Ryu. Sehr schön finde ich den Ursprung des Wortes Ryu, das Schule bedeutet. Die ursprüngliche Bedeutung ist Strom oder fließen. Der Zweck einer Schule ist die Bewahrung und Weitergabe (Fluss) der Traditionen und des Wissens. Und Kashima-no-Tachi steht am Anfang dieser Tradition von Schwertschulen, bevor es zur Ausbildung der verschiedenen Ryu kam.
In Kashima Schwert ist das zentrale Prinzip Ho Jo Do Ka was übersetzt werden kann als den Gegner zu umarmen und den Zustand der Harmonie wieder herzustellen – das ist doch eine sehr schöne Parallele zum Aikido, wo wir praktisch das gleiche Ziel verfolgen.
Zuletzt sprach Araya Kancho über Dai Jo als zentrale Idee von Budo oder Bushido. Dai Jo kann übersetzt werden mit Okay. In diesem Zusammenhang meint das, dass Budo ein Weg ist um die spirituelle Stärke zu entwickeln, die notwendig ist um jeder Situation mit Dai Jo begegnen zu können, also mit dem Gefühl: Das ist Okay, ich schaffe das – es gibt eine Lösung. Je auswegloser eine Situation umso mehr Spirit brauchen wir um sie bestehen zu können – interessanter Weise kam mir dabei Johanna von Orléans in den Sinn, als Sinnbild für jemanden, dessen Dai Jo eine vermeintlich ausweglose Situation retten konnte. Historisch wahrscheinlich ohnehin fragwürdig, aber im Geiste ganz passend.
MIt diesem Gedanken ging es in eine Stunde Aikido Training. Im Shiseikan wird ein etwas anderer Stil unterrichtet, aber es ist trotzdem eine gute Gelegenheit um die gezeigten Prinzipien zu üben. Obwohl wir gar nicht so schnell geübt haben komme ich trotzdem gut ins Schwitzen – auch dank meiner starken Übungspartner. Heute Nachmittag wird die Gruppe nach Erfahrung geteilt und wir üben Ken Jutsu. Ich freue mich schon.
Ken Justu am Nachmittag
Am Nachmittag wurden die Teilnehmer nach Erfahrung in drei Gruppen eingeteilt. Udagawa Sensei übernahm die Fortgeschrittenen Gruppe, in der ich mich eingereit hatte. Thema für diese Woche soll die Vertiefung der 4. und 5. Serie des Kashima-Schwert sein, also Jissen Kumi Tachi (実戦組太刀) und Kassen Dachi (合戦太刀). Zu Beginn wollen wir aber die ersten drei Serien aus Sicht von Uke (dem Angreifer) anschauen, also wie unterrichtet man die ersten drei Serien.
Udagawa Sensei beginnt mit den dem zentralen Prinzip von Ten Shi Shin: Himmel – Erde – Mensch. Ten kann aber auch das übernatürliche, das jenseits des Materiellen bezeichnen.
Daraus leiten sich drei Prinzipien ab:
ten no toko – kann als timing übersetzt werden
shi no ri – Vorteil des Ortes, der Position
shin no wa – Vereinen/Harmonisierung der Einzelnen.
Vereinfacht gesagt: zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein mit dem richtigen Spirit!
Ukes Aufgaben im Katatraining ist es, Shite (Verteidiger) diese Prinzipien innerhalb der Kata nahe zu bringen. Vor diesem Hintergrund üben wir die erste und zweite Serie (Kihon Dachi (基本太刀) und Ura Dachi (裏太刀)).
Nach intensiven zwei Stunden endet die Trainingseinheit. Besonders schon ist die Gelegenheit nach dem offiziellen Training noch frei weiter zu üben. Die Lehrer stehen zur Verfügung und es findet sich auch immer ein bereitwilliger Übungspartner. Morgen geht es zur dritten Serie. Mal schauen.
Lust auf Ken Jutsu bekommen? Kommt einfach zu einem Probetraining vorbei!